Impfstoffe zur Immunisierung der breiten Bevölkerung sind das zentrale Instrument zur Pandemiebekämpfung. Die Geschwindigkeit, mit der wirksame Impfstoffe entwickelt wurden, war beeindruckend. Doch das sich ständig verändernde Pandemieumfeld stellt die Vakzine und die Strategien der Staaten auf die Probe. War noch vor wenigen Monaten die aggressive Delta-Variante für steigende Infektionszahlen verantwortlich, sehen wir uns nun mit der noch deutlich infektiöseren Omikron-Variante konfrontiert. Das Problem: über 30 Mutationen im Spike-Protein der Omikron-Variante, dem Eiweiß-Molekül mit dem unser Immunsystem primär interagiert, um das Virus zu bekämpfen. Somit verlieren die aktuell verfügbaren Impfstoffe, initial gegen den Wuhan-Stamm entwickelt, gegen die neuen Varianten deutlich an Wirksamkeit.
Anfangs wurde erwartet, dass eine zweifache Vakzinierung einen ausreichenden Schutz gegen eine Infektion mit dem Coronavirus darstellt. Dass dem nicht so ist, wissen wir spätestens seit der dritten Immunisierung – der Booster-Impfung. Die Booster-Impfung ist wissenschaftlich sinnvoll und erhöht nachweislich die im Blut vorhandenen Antikörper – diese nehmen jedoch schnell wieder ab. In Staaten wie Israel wird schon die vierte Impfung verabreicht – die Infektionszahlen steigen aktuell trotzdem extrem schnell. Wie gut und nachhaltig ist also die Booster-Strategie wirklich? Antikörper sind ein wichtiger Teil unseres Immunsystems, Langzeitschutz wird aber nicht über Antikörper, sondern über spezielle Immunzellen erreicht – die T- und B-Gedächtniszellen. Bis heute wissen wir nicht wirklich, in welchem Maße die verfügbaren Vakzine zur Bildung dieser Gedächniszellen beitragen. Ob weitere Booster-Impfungen alle 4 bis 6 Monate den Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf noch weiter erhöhen, ist fraglich, nachhaltig ist dieser Ansatz jedenfalls nicht. Zudem mehren sich kritische Aussagen von renommierten Stimmen aus der Wissenschaft und Führungskräften der Gesundheitsbehörden, die die Sinnhaftigkeit der Booster-Strategie in Frage stellen – vor allem bei den jungen und gesunden Bevölkerungsgruppen. Der Trend geht vielmehr in Richtung jährlich verabreichter Kombinationsimpfstoffe für Risikogruppen. Das US-Biotech-Unternehmen Moderna hat bereits angekündigt, ein Vakzin zu entwickeln, das gegen Corona und Grippe schützen soll. Andere große Player, wie Pfizer, Sanofi und GlaxoSmithKline, haben ähnliche Pläne. Das Impfstoff-Geschäft wird in den nächsten Jahren deutlich kompetitiver und der Markt für die bisherigen Gewinner BioNTech und Moderna also kleiner und umkämpfter werden.
EEin weiterer Faktor, der zu einer Veränderung des Covid-Marktes führen wird, sind neuartige Therapie-Optionen. Vor einem Jahr dominierten die erfolgreich entwickelten Impfstoffe die Nachrichten. Wirksame Behandlungen konnten aber nicht so schnell entwickelt werden. Remdesivir von Gilead hat sich als kaum wirksam herausgestellt und Antikörper der ersten Generation, wie der vom US-Biotech-Schwergewicht Regeneron, sind gegen die Omikron-Variante nicht mehr ausreichend wirksam. Es gab jedoch in letzter Zeit eine Reihe sehr positiver Entwicklungen, die uns weitere Mittel zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung stellen. Pfizer als auch Merck konnten oral einzunehmende „Covid-Pillen“ entwickeln, die früh nach Auftreten von Symptomen verabreicht, deutlich vor Hospitalisierungen und Krankheitsverläufen mit Todesfolge schützen. Diese oralen Covid-19-Therapien interagieren in unseren Körperzellen mit den Viren und hindern diese an einer unkontrollierten Vermehrung. Der Schweizer Pharma-Konzern Novartis hat mit seinem Partner Molecular Partners ebenfalls eine sehr vielversprechende Behandlung in der Entwicklung, von der insbesondere Risikogruppen stark profitieren dürften.