Claus Sendelbach
Geschäftsführer apoAsset
In Deutschland ist der Gesundheitssektor in den vergangenen 10 Jahren um jährlich 4,1 % gewachsen. (Quelle: BMWI Gesundheitswirtschaft Fakten & Zahlen 2018.) Laut einer Studie von Roland Berger aus 2008, die nach wie vor Bestand hat, wird die Gesundheitsbranche bis 2030 global betrachtet um 5,9 % p.a. zulegen (s. Abbildung). Das Wachstum des Gesundheitsmarktes findet dabei auf breiter Ebene in vielen Bereichen statt. Dazu gehören neben Biotechnologie-Pionieren, Versicherer und andere Finanzdienstleister auch Handels- und Logistikunternehmen, Medizintechnik-Unternehmen, Klinikketten, Infrastruktur-Unternehmen, Softwareunternehmen oder Entsorger für Medizinmüll. Für Zukunftsforscher wie Matthias Horx entwickelt sich der Gesundheitsmarkt unlängst zum „Kern-Sektor der kommenden Ökonomie“.
Ein wesentlicher und langfristiger Treiber für das Wachstum des Gesundheitsmarktes ist die historisch beispiellose Innovationskraft der Gesundheitsbranche – nicht nur in den entwickelten Ländern, sondern auch in den Emerging Markets. In den entwickelten Ländern gibt es mittlerweile mehr als 200 Zulassungen im Jahr. Aber auch China steht bei den jährlichen Neuzulassungen in der vordersten Reihe. Allein in den Jahren 2018 und 2019 wurden in China 54 bzw. 53 neue Therapeutika zugelassen und ein neuer Allzeit-Rekord erreicht. Neben China gelten auch Indien, Israel und Südkorea als Innovationstreiber im Gesundheitsmarkt und machen die Auswirkungen der Globalisierung auf diesen Markt spürbar.
Zu den wichtigsten Wachstumsfeldern gehört die Behandlung von Krebs. In diesem Bereich gab es in den letzten 20 Jahren große Fortschritte. Neben herkömmlichen Behandlungsmethoden stehen immer neuere Therapieformen, die an den Markt kommen. Die Immunonkologie, das heißt die Mobilisierung des körpereigenen Immunsystems zur Therapie von Krebspatienten, ist gegenwärtig in aller Munde. Dazu zählt z.B. die CAR-T-Cell-Therapie, die Merkmale der Immun-, Zell- und Gentherapie vereint. Hierzu laufen weltweit mehrere Hundert klinische Studien. Zudem bieten Gentherapien viele neue Chancen zur Behandlung von Patienten mit schwersten Erkrankungen – nicht nur im Krebsbereich, sondern auch bei erblichen Erkrankungen z.B. des zentralen Nervensystems, der Augen und des Blutsystems. Zu Beginn des Jahres 2020 hat die US-Arzneimittelbehörde FDA alleine 6 neue Leitlinien zur Herstellung von Gentherapeutika angekündigt und signalisiert damit die Innovationskraft in dem Bereich Gentherapie.
Darüber hinaus sorgt insbesondere „Digital Health“ für zweistellige Wachstumsraten pro Jahr. Die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche schreitet unablässig voran, etwa mit Krankenhaus-IT, Robotik, künstlicher Intelligenz oder vernetzten Services auf mobilen Geräten. Dies verändert die gesamte Wertschöpfungskette und sorgen für mehr Effizienz. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Telemedizin. Ungefähr zwei Drittel aller Erstkonsultationen beim Arzt sind verschiedenen Studien zufolge nicht notwendig beziehungsweise es bedarf nicht der physischen Anwesenheit eines Arztes. Insbesondere bei allgemeinmedizinischen Fragen und psychischen Krankheiten lassen sich mittels Fernbehandlung Kosten und Zeit sparen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können. Entsprechend dieser Entwicklung und dem wachsenden Bewusstsein für computergestützte, medizinische Versorgung sind Wertsteigerungen bei den Unternehmensgewinnen und damit auch bei Aktienkursen zu erwarten. Die Prognosen für den Sub-Bereich Digital Health liegen Deloitte zufolge bei etwa 21 % p.a. (Stand: 31.10.2019) für die nächsten Jahre.
Die Innovationsleistung, die im Gesundheitssektor steckt, geht einher mit dem steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen und Produkten, nicht zuletzt bedingt durch Urbanisierung, wachsenden Wohlstand insbesondere in den Schwellenländern, die gestiegene Lebenserwartung und dem zahlenmäßigen Anstieg der Weltbevölkerung. Der aktuellen UN-Bevölkerungsprojektion 2019 zufolge werden im Jahr 2050 rund 9,7 Milliarden und im Jahr 2100 11,1 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Den größten Anteil an diesem starken Wachstum machen die Emerging Markets aus, insbesondere der afrikanische Kontinent (s. Grafik). Betrug die weltweite durchschnittliche Lebenserwartung im Jahre 1990 noch 62,3 Jahre, wird bis 2050 mit einem Anstieg auf 75,4 gerechnet (Quelle: United Nations, apoBank. Stand: Januar 2019).
Im Zuge der wachsenden Nachfrage sind auch die Gesundheitsausgaben in den letzten Jahren rasant gestiegen. Der größte Anteil, rund 80 %, fällt auf Dienstleistungen: Krankenhausaufenthalte, Arztbesuche und ambulante Dienstleistungen sowie öffentliche Administration. Der Rest fließt in Produkte und Innovationen, also in die Bereiche Medizintechnik, öffentliche Forschung und Medikamente. In der westlichen Welt liegt der Anteil der Gesundheitsausgaben bei 10 bis 11 % des Bruttoinlandproduktes. Ausreißer ist die USA mit 17 %(s. Grafik). Vom prozentualen Anteil her sind die Gesundheitsausgaben der aufstrebenden Länder in Osteuropa, Lateinamerika und Asien gemessen am Bruttoinlandsprodukt vergleichsweise niedrig. Allerdings wachsen in diesen Ländern die Ausgaben deutlich schneller. So lagen 2017 die Gesundheitsausgaben in China gemessen am BIP bei 6,3 % bei einer Steigerung um 16,4 % in den letzten 10 Jahren. Um einer wachsenden Zahl von Patienten den Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen, werden die Gesundheitssysteme in diesen Ländern immer weiter ausgebaut.
Prognosen zufolge wird der weltweite Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis 2023 zusammen genommen bei etwa 10,2 % liegen. Augenmerk der Gesundheitssysteme wir dabei darauf liegen, die Kosten einzudämmen (Quelle: Deloitte Insight, 2020 Global Health Care Outlook). Ein Schlüssel hierzu ist die Nutzung neuer Technologien.
Kern des Megatrends Gesundheit ist und bleibt der Mensch. Fakt ist, dass in der heutigen Wohlstandsgesellschaft Gesundheit zu den wichtigsten Lebenszielen zählt. So ist nicht nur die Erwartung gewachsen, in jeder Lage die bestmögliche medizinisch versorgt zu werden. Es geht vielmehr auch darum, die eigene Gesundheit zu optimieren und zu erhalten. Diese soziale Tatsache beflügelt die stabile Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. Gleichzeitig macht sie Gesundheit – nicht zuletzt durch eine Reihe vieler weiterer themenverwandter Trends – allgegenwärtig.