Andreas Dittmer
Stv. Direktor – Institutionelle Kunden
Prognosen zufolge könnten die Wachstumsraten der Schwellenländer gemessen am Brutto-Inlands-Produkt (BIP) in den nächsten Jahren bei ungefähr 4 bis 5 % p.a. liegen. Das ist mehr als in den meisten anderen Regionen der Welt. Seit den 1990er Jahren haben sich viele Emerging-Market-Länder von Produzenten der rohstoffnahen, primären Wirtschaftssektoren zu wichtigen Anbietern von IT- und Kommunikationsdienstleistungen entwickelt. In weniger als einer Generation haben sich die Schwellenländer zu wichtigen Absatzmärkten gewandelt. Gleichzeitig haben sie sich zu einem regelrechten Technologie-Knotenpunkt entwickelt. Die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse haben sich dabei im Ländervergleich verlagert: Aktuell tragen die Schwellenländer etwa 60 % zum globalen Wirtschaftswachstum und das Momentum wird weiter zulegen. Die Megatrends unserer Zeit – Globalisierung, demografischer Wandel, Urbanisierung, digitale Vernetzung und ganz besonders der Megatrend „Gesundheit“ sind damit auch in den Emerging Markets angekommen.
Neben China und Indien als die bevölkerungsreichsten Länder der Erde stehen Länder wie Israel und Südkorea, die im Gesundheitsmarkt in Sachen „Gesundheit“ besonders innovativ sind. Im Jahr 2019 knüpfte China mit 53 Zulassungen für neue Therapeutika an die Rekordzahl des Vorjahres mit 54 an. Zu den wichtigsten Wachstumsfeldern gehören dort die Behandlung von Krebs und seltenen Erkrankungen (Orphan Diseases). In den nächsten Jahren werden in Asien und speziell in China mehr klinische Studien für „me-too“- und „me-better“-Medikamente erwartet. Die Wachstumsrate soll verschiedener Marktanalysen zufolge bei 12 bis 15 % p.a. liegen. Ausgehend vom deutlichen Anstieg der klinischen Studien kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl zugelassener Medikamente künftig weiter ansteigen wird. Führend für (Bio-)Pharmazeutika sind z.B. die Unternehmen Hengrui, BeiGene und Innovent. Sie alleine machen einen Anteil von etwa 30 % Marktanteil am dortigen Gesamtmarkt für Biopharmazeutika aus. Eine Kombination aus Biotechnologie und Digitalisierung bietet zudem eine effizientere Möglichkeit in der Behandlung von Patienten mit weniger Kosten und zudem neue Therapieformen.
Aus portfoliotheoretischen Überlegungen spricht zunächst alles für ein Investment in ein breit diversifiziertes Länderportfolio mit unterschiedlichsten Branchen. Die geringen Korrelationen der Länder untereinander von durchschnittlich 0,3 und gegenüber den Industrieländern von 0,7 unterstützen dieses Vorgehen. Die reale historische Performance ist bei diesem breiten Ansatz jedoch ernüchternd. Beispielsweise entwickelte sich in den letzten fünf Jahren bis Ende Juni 2020 (inkl. der Auswirkungen der Corona-Schocks) der MSCI World Index mit +7,5 % p.a. deutlich besser als der MSCI Emerging Markets +3,2 % p.a. Ein besserer Weg ist hingegen ein Investment in die Branchen, die von Megatrends profitieren. Verbindet man diese zusätzlich mit einem selektiven Stock-Picking von überwiegend oligopolistisch positionierten Unternehmen ergibt sich ein deutlicher Mehrwert. Ein aktives Aktienportfolio aus dem Sektor Healthcare mit Schwerpunkten medizinische Infrastruktur, Biotechnologie und Digitalisierung erzielte im gleichen Zeitraum eine Wertsteigerung von 16,6 % p.a. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen relativ stabil ist und zudem weitgehend unabhängig von Konjunkturzyklen. Gesundheitsaktien wachsen dabei langfristig stärker und stetiger als der Gesamtmarkt. Dies macht sie zu einem stabilen Anker in einem global allokierten Portfolio.Diese Stabilität stellt sich – empirisch belegt – bereits durch eine Beimischung von 25-30 % des beschriebenen Ansatzes in einem weltweit diversifizierten Portfolio ein.
Die aktuellen Entwicklungen der Aktienmärkte und deren Bewertungen gemessen an der KGV-Prämie zeigen weiterhin ein aufwärtsgerichtetes Nachholpotential gegenüber den Industrieländern an. Mit einem derzeitigen Differenzial des Kurs-Gewinn-Verhältnisses der Emerging Markets versus Domestic Markets von etwa 37 % besteht eine enorme Chance. Verbunden mit dem Potential im Gesundheitsmarkt macht sie dies für Investoren daher zu einer ganz besonderen Anlageregion – kurzum zu Megatrends im Doppelpack.
Bei Auswahl von Gesundheitstiteln ist Expertise gefragt. So spielen Parameter wie Bewertung, Qualität, Marktstellung und oftmals der direkte Zugang zu Unternehmensinformationen eine entscheidende Rolle. Ein differenziertes Vorgehen empfiehlt sich auch im Hinblick auf die politischen Länderrisiken.
Eine bestimmende Einflussgröße für die Kapitalmärkte der Emerging Markets ist nach wie vor die Entwicklung der FED-Zinsen. Diese schwinden zunehmend, da tendenziell weniger über US-Dollar finanziert und fakturiert wird, sondern über eigene lokale Währung. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es bei Zinssenkungen durch die FED regelmäßig zu Kurs-Anstiegen der Aktien an Emerging-Markets-Börsen kommt.